Looking for a place to stay | Dany&Car

Caryn Forestyr stand an der Reling eines Handelsschiffes, das gerade den Hafen von Meereen ansteuerte, wie sie in den vergangenen Jahren schon an der Reling vieler Schiffe gestanden hatte. Mit einem ernsten, zielsicheren Blick, die Schultern gestrafft, dem Rücken gerade. Der Wind fuhr durch ihr Haar und ließ einige Strähnen, die den Weg aus dem langen Zopf gefunden hatten, um ihr Gesicht wehen. Sie schenkte ihnen keine Beachtung. Tjaard saß neben ihr, die Wölfin imitierte die Haltung ihrer Herrin. Sie war die Schifffahrt gewohnt, war sie doch an Bord eines Schiffes geradezu aufgewachsen.
Die drei riesigen Pyramiden der ehemaligen Sklavenstadt wurden immer größer, während das Schiff langsam in den Hafen einfuhr. Kaum wurden die Rampen herunter gelassen, verließ Caryn das Schiff bereits, drückte dem Kapitän noch den Rest seines Geldes in die Hand und machte sich durch die Stadt, die stank wie jede andere auch, auf zu der größten der drei Pyramiden, wo das Ziel dieser langen Reise lag. Daenerys Targaryen, die Mutter der Drachen. Ob diese Drachen wirklich existierten, war eine der Fragen, die sie hergeleitet hatten, nach Meereen zu kommen. Doch es gab andere, wichtigere Gründe, die noch früh genug zur Sprache kommen würden.
Die Leute wichen ihr aus und machten ihr Platz, als sie sich ihren Weg über die Straßen und Märkte bahnte. Doch das lag nicht an Caryn selbst. Sie war eine Fremde hier, nur ein weiteres Gesicht in der Menge aus Menschen. Es war Tjaard, die die Leute erschreckte und verängstigte. Wölfe schienen hier nicht sonderlich oft gesichtet zu werden und die Tatsache, dass Tjaard zur Hälfte Schattenwölfin war - was Caryn zumindest vermutete - und sie daher größer und imposanter war, beeindruckte die Menge nur noch mehr. Caryn schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit, sondern war nur froh, dass sie sich so keinen Weg durch die Menge kämpfen musste.
Sie hatte seit Tagen kaum gegessen, getrunken und geschlafen, doch sie suchte sich keine Unterkunft. Zuerst wollte sie sehen, ob die lange Reise sich gelohnt hatte. An der Pyramide angekommen, verlangte sie in gebrochenem Valyrisch eine Audienz mit der Drachenkönigin. Nach einigem Hin und Her - von dem Gespräch verstand sie nicht viel, doch es schien um die Wölfin zu gehen - führten zwei der Soldaten sie über etliche Treppen in den Thronsaal.

Ich begann den Tag wie jeden anderen auch mit den Belangen der Stadtbewohner. Es waren größtenteils ziemlich einfache Probleme, die schnell gelöst werden konnten, doch das eine oder andere war etwas komplexer, es dauerte so etwas länger, bis sie gelöst waren. Schließlich trat einer der Unbefleckten zu mir und kündigte mir das Kommen einer Unbekannten an. Ich neigte den Kopf und bat den Soldat, die junge Frau zu mir zu bringen.
Ich blieb auf dem lehnenlosen Hocker sitzen und musterte die Treppe. Angeblich war die Besucherin eine junge Frau aus Westeros mit einem ziemlich ungewöhnlichen Haustier. Vor allem letzteres weckte meine Neugier, ich wollte wissen, um welches ungewöhnliche Haustier es sich handelte. Und auch die Informationen, die die junge Besucherin mir eventuell liefern konnte, konnten mir verdammt nützlich werden, wenn es dazu kam, dass ich wirklich nach Westeros aufbrach um meinen angestammten Platz als Königin einzunehmen. Ich hatte zwar bereits zwei Berater an meiner Seite, die aus Westeros stammten, doch eine weitere Sichtweise konnte nicht schaden. Schließlich war es gut möglich, dass diese Besucherin Informationen hatte, die aktueller oder spezifischer waren, sodass mir diese Besucherin wirklich nützlich werden könnte.
So wartete ich geduldig darauf, dass meine Wachen die Besucherin zu mir brachten, damit ich sie und ihre Begleitung auf vier Beinen kennen lernen konnte.

Irgendwer - vielleicht war es ihr Onkel gewesen, doch Caryn erinnerte sich kaum daran - hatte ihr einmal erklärt, dass die Sklavenhalter sich für die Herren der Welt gehalten hatten. Und wie anders musste man sich fühlen, wenn man Menschen sein Eigen nennen konnte? Genau das war, was ihre Bauten ausdrückten. Hohe Pyramiden aus Stein, die über die Stadt aufragten, so wie die Sklavenmeister einst über die Stadt geragt hatten. Doch diese Zeiten waren vorbei. Dass es ausgerechnet eine Frau war, die ihre Städte erobert und ihre Sklaven befreit hatte, musste eine weitere Schmach für die Meister gewesen sein. Caryn selbst wusste nicht recht, wie sie der Sklaverei gegenüberstehen sollte. Ein Teil von ihr - der Teil, den Ned Stark erzogen und aufwachsen gesehen hatte - war voller Zorn über diese Ungerechtigkeit, doch es war schon lange der Teil in ihr, der kaum noch zu Tage trat. Die Kälte in ihr hatte übernommen, hatte ihre Emotionen abgestumpft und teilweise ganz ausgelöscht, bis nichts mehr blieb außer ihr Überlebenswille und ihr Sinn für Rache. Deshalb war sie hier.
Die Wachen führten sie zahlreiche Stufen hinauf, ehe sie schließlich im Audienzsaal ankamen. Der Raum war spartanisch eingerichtet, die Sitzbank, auf der die Drachenkönigin saß, schien das einzige Möbelstück zu sein. Caryn trat an den Fuß der Treppe und betrachtete diese Frau prüfend. Weißblondes, gewelltes Haar, ein aufwendiges Kleid und insgesamt die Erscheinung eines jungen Mädchens. Sie war nur einige Jahre jünger als Caryn, doch sie sah um mindestens zehn Jahre jünger aus. Nur ihr Blick war stolz und erhaben, der einer Frau, die sich nicht so einfach brechen ließ. Diesen Blick erwiderte Caryn außer Acht von jeglichem Respekt. Wenn diese Königin wollte, dass sie ihr diente, musste sie sich beweisen.

Ich merkte, wie ich der Besucherin interessiert entgegenblickte. Sonst war ich immer eher unbeteiligt, wenn es darum ging, jemandem eine Audienz zu geben, doch diesmal war es anders. Zum einem stammte diese junge Dame, die gerade den Saal betrat, aus Westeros und konnte mir vermutlich Informationen geben, die mir keiner meiner Berater geben konnte. Von ihnen kamen zwar mehrere aus Westeros, doch sie hatten den Kontinent schon vor langer Zeit verlassen und waren nicht mehr auf dem neusten Stand.
Zum anderen war sie nur wenige Jahre älter als ich, sodass sie vermutlich meine oft noch recht unbedarfte Sichtweise besser verstehen konnte als meine Berater, die ja alle mehrere Jahrzehnte älter waren als ich. Ich wusste, dass sie deshalb nicht zwingend einverstanden sein würde, aber wo meine jetzigen Berater nur Naivität sahen - die da ja auch sicher war - würde sie vielleicht die Auswirkungen meines fehlenden Alters sehen und mir weiter helfen.
Willkommen in Meeren... sprach ich schließlich, nachdem ich sie mehrere Minuten lang schweigend angesehen und gemustert hatte. Besonders das Tier an ihrer Seite weckte meine Neugierde, ein solches Tier hatte ich noch nicht sonderlich oft gesehen. Ich wusste, was es war, Wölfe hatte ich schließlich bereits gesehen, doch einen so großen hatte ich in Natura noch nicht gesehen.