cf: Das Höhlensystem
Erneut war eine ganze Menge Zeit vergangen. Mildis und ihre Leute hatten es inzwischen an die Mauer geschafft und eigentlich hatten sie ja die Lager plündern wollen. Doch wie sie von weitem hatten feststellen müssen, waren Thenn unter den Lagernden und außerdem kam es wohl zu regelmäßigen Auseinandersetzungen mit den Krähen. Darauf hatte sie nun wirklich keine Lust gehabt und als dann auch noch zwei ihrer Pferde verstarben, durch einen Schattenwolf, war ein neuer Plan geschmiedet. Sie würden über die Mauer gehen, gen Süden.
Jedoch nicht an der Stelle, wo offenbar eine bemannte Festung war...So dumm waren sie nicht. Nein, sie würden an einer alten Festung durch kommen. Von einem ihrer Späher hatte sie in Erfahrung gebracht, dass es ein Stück weiter östlich ein altes Tor gab, welches sich mit etwas Mühe öffnen ließe. Dorthin waren sie nun unterwegs. Energisch trieb Mildis ihren Schimmel an, gab dem Tier kaum Pause, da sie so schnell wie möglich dort sein wollte. Viele Pferde hatten sie nicht mehr, waren es doch sowieso schon nur ein paar Wenige gewesen. Daher kam ihr Volk nur langsam hinterher, aber sie konnten sich alle alleine wehren und kleine Kinder hatten sie derzeit eh nicht dabei, weshalb das die Sache etwas erleichterte. Ihr Clan lebte nach der Natur und in der Natur lebte man nach dem Gesetz des Stärkeren. Wer nicht mithalten konnte wurde zurück gelassen. Das hatten ihre Leute vor langer langer Zeit so festgelegt und daher scherte sich nicht einmal der Sterbende darum, befahl den anderen sogar weiter zu ziehen, was sie ohne Umschweife taten. Nur ein kleiner Steinhaufen wurde zusammen getragen, damit an ihn gedacht wurde, dann ritten und gingen sie weiter. Ungeachtet ob die Leiche von Tieren gefressen wurde oder gar von Kannibalen. Das war eben der Kreislauf der Natur.
"Bjólan! Ist es das dort vorne?", rief die junge Anführerin gegen den aufkommenden Wind und deutete auf ein Gebilde in einiger Entfernung, dass wohl einen ehemaligen Außenposten der Nachtwache symbolisierte. Von dem Ruf ihres Spähers, der zu ihr heran gehetzt kam, sie hatte das Pferd inzwischen angehalten, hörte sie erst etwas, als er neben ihr stand.
"Ja, das ist es. Das haben wir gesehen.", sagte er und hob etwas die Hand vor die Augen, um gegen den aufgewirbelten Schnee etwas zu sehen. "Dort müsste ein Hebelwerk sein, das uns das Tor öffnet. Wenn wir schnell genug sind, sind wir schneller auf der anderen Seite, als diese Dreckskrähen das mitbekommen haben.", sagte er noch hinzu und Mildis nickte ihm zu. Dann drückte sie die Hacken in die Flanken des Schimmels und preschte mit den Reitern vor, um sich das Ganze mal von nahem anzusehen.
Je näher man der Mauer kam, desto imposanter wirkte sie auf einen. Doch Mildis hatte nur wenig Interesse daran sich das Gebilde aus Eis anzuschauen. Viel eher interessierte sie sich für den Mechanismus, der sie von der Welt im Süden trennte.
Kaum hatten sie und die anderen Reiter sich der verschlossenen Öffnung genähert, rutschte sie aus ihrem Fellsattel, noch während das Tier lief und ging zu dem Eisenwerk herüber, musterte es, schaute sich alles genau an und winkte dann ihre Leute zu sich.
"Wir brauchen ein Gewicht, welches wir an die Hebel hängen. Ansonsten sollte es sehr schwer werden diese zu bewegen. Sie sehen aus, als hätte sie ein Riese gebaut.", sagte sie zu ihrem engeren Kreis der Ältesten, von denen nur noch drei übrig waren. Zwei waren auf dem Weg hier hin gestorben. Der Rest ihres Volkes war inzwischen nachgerückt, doch auch dort hatte es Verluste gegeben. Einmal durch den Schattenwolf Angriff, dann wegen der Kälte und wegen der weiten Strecke. Doch sie waren noch genug und Mildis glaubte daran, dass sie das schaffen konnten. "Findet etwas, womit wir die Pferde an die Hebel binden können. Mit ihrer Kraft sollten wir das Ding bewegt bekommen.", rief sie nach kurzer Beratung den Kriegern zu, welche sich sofort daran machte, Seile zu knüpfen, aus Leder und Baumfaser. Das würde eine Weile dauern, doch mit gemeinsamer Kraft und Durchhaltevermögen sollte das zu schaffen sein. Mildis sah nicht dabei zu, sondern machte sich ebenso nützlich, fütterte die Pferde und sorgte dafür, dass ein Übergangslager errichtet wurde, welches sie schnell und einfach abbrechen konnten. Es wurde langsam Nacht und die Arbeiten gingen voran, die provisorischen Geschirre für die Pferde waren fast fertig. Wenn sie sich beeilten, konnten sie noch in dieser Nacht auf die andere Seite der Mauer. Und wenn nichts dazwischen kam.